Dieser Forderung stehen Erkenntnisse der Hausaufgabenforschung entgegen, die
eher gegen eine zu ausgeprägte instruktive Funktion der Familie bei den Hausaufga-
ben sprechen (Wild & Remy, 2002). Die vorliegende Studie berichtet Erfahrungen
mit einem Elterntraining, bei dem versucht worden ist, sich mit diesem Dilemma aus-
einander zu setzen.
Das Trainingsprogramm gliedert sich in zwei Komponenten auf. Einerseits sollten
globale Dimensionen elterlicher Lernunterstützung beeinflusst werden. Neuere
mehrdimensionale Konzeptionen globaler Elternhilfe orientieren sich dabei vielfach
an der Selbstbestimmungstheorie von Deci & Ryan (1985). Untersucht wurden die
folgenden Variablen: Unterstützung zur Autonomie, Einmischung und Kontrolle. Die-
se Dimensionen des Betreuungsverhaltens sollten andererseits durch bereichsspezi-
fische Förderstrategien für das Lesen erweitert werden (Guthrie, Wigfield und Peren-
cevich, 2004). Es handelt sich dabei um gezielte Anleitungen an die Eltern, wie sie
ihre Kinder bei den Lesehausaufgaben unterstützen können. Implementiert wurden
die Strategien Vorwissen aktivieren, Vorhersagen und Zusammenfassen. Die Wirk-
samkeit des durchgeführten Kurzzeit-Elterntrainings konnte bereits nachgewiesen
werden. Genauere Beziehungen zwischen globalen und bereichsspezifischen in-
struktiven Förderaspekten sind konzeptionell bis anhin jedoch nicht geklärt worden.
Zwei zentrale Fragestellungen sollten beitragen, diese Zusammenhänge aufzude-
cken:
1. Unstrittig ist, dass die Ausgestaltung familiärer Leseaktivitäten in starkem Masse
von familiären Bedingungsfaktoren beeinflusst wird. Wir waren deshalb interessiert
zu erfahren, ob der Einsatz von bereichsspezifischen Formen der Elternhilfe durch
familiäre Determinanten wie das Bildungsniveau, den Migrationshintergrund oder die
Leistungen des Kindes unterschiedlich mediiert werden. Der Einfluss dieser familiä-
ren Merkmale auf das elterliche Betreuungsverhalten wurde regressionsanalytisch
untersucht.
2. Im Weiteren wollten wir Aufschluss über das Zusammenspiel globaler Dimensio-
nen des elterlichen Betreuungsverhaltens und bereichsspezifischer Strategien erhal-
ten. Wir nahmen an, dass die konkret formulierten Praktiken die Anschlusskommuni-
kation über das Lesen fördern und auf der globalen Ebene als Unterstützung wahr-
genommen werden. Die entsprechenden Zusammenhänge wurden durch Struktur-
gleichungsmodelle geprüft. Dabei standen Daten zur Verfügung, die sowohl auf Sei-
ten der Eltern wie auch auf Seiten der Kinder erhoben worden sind.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass es Merkmale des Kindes sind, die die An-
wendung der trainierten bereichspezifischen Förderstrategien beeinflussen können.
Ebenso konnten deutliche Hinweise gefunden werden, dass die Anwendung be-
reichsspezifischer Strategien die globale Wahrnehmung elterlicher Hilfestellungen in
eine erwünschte, im Einzelfall aber auch in eine unbeabsichtigte Richtung lenken
kann. Die Ergebnisse sind von theoretischer Bedeutung im Hinblick auf Zusammen-
hänge zwischen konkreten und dimensionalen Merkmalen pädagogischen Handelns.
Von praktischer Relevanz ist ferner die Konsequenz, instruktive Anleitungen jeweils
dahingehend zu prüfen, inwieweit sie verträglich sind zu bewährten übergeordneten
Konzepten der Elternhilfe.
Literatur
Deci, E. L. & Ryan, R. M. (1985). Intrinsic motivation and self-determination in human
behaviour. New York: Plenum Press.
Guthrie, J. T., Wigfield, A. & Perencevich, K. C., Eds. (2004). Motivating reading
comprehension. Concept-oriented reading instruction. Mahwah, NJ, Lawrence Erl-
baum Associates.
Sénéchal, M. & Young, L. (2008). The effect of family literacy interventions on child-
ren's acquisition of reading. From kindergarten to grade 3: A Meta-analytic review.
Review of Educational Research 78 (4), 880 - 907.
Wild, E. & Remy, K. (2002). Affektive und motivationale Folgen der Lernhilfen und
lernbezogenen Einstellungen von Eltern. Unterrichtswissenschaft 30 (1), 27-51.
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